Klinische Prüfung von Medizinprodukten
CLINICAL AFFAIRS unter MDR
Klinische Prüfung von Medizinprodukten
Sind für die klinische Bewertung eines Medizinproduktes nicht ausreichend klinische Daten vorhanden, müssen eigene klinische Daten im Rahmen einer klinischen Prüfung des betreffenden Medizinproduktes erhoben werden.
Die DIN EN ISO 14155 „Klinische Prüfungen von Medizinprodukten am Menschen – Gute klinische Praxis“ definiert die klinische Prüfung als „systematische Prüfung an einer oder mehreren Versuchspersonen(en), die vorgenommen wird, um die klinische Leistungsfähigkeit, medizinische Wirksamkeit oder Sicherheit eines Medizinproduktes zu bewerten“. Eine klinische Prüfung dient somit ausschließlich dazu, eigene klinische Daten bezüglich der Sicherheit und/oder Leistungsfähigkeit eines Medizinproduktes zu erhalten.
Klinische Prüfung
Der Begriff der "Klinischen Studie"
Laut DIN EN ISO 14155 sind die Begriffe „klinischer Versuch“, „klinische Studie“ gleichbedeutend mit dem Begriff „klinische Prüfung“. In der Praxis spricht man allerdings bei Arzneimitteln von „klinischen Studien“, während man bei Medizinprodukten den Begriff von „klinische Prüfungen“ verwendet.
Vor der Einführung des Begriffs der „sonstigen klinischen Prüfungen“ der MDR (Artikel 82) fand der Begriff der „klinischen Studie“ außerdem bei experimentellen Prüfungen und in der Grundlagenforschung zur Beantwortung wissenschaftlicher und anderer definierter medizinischer Fragestellungen – auch bei Medizinprodukten – Anwendung. Nach Artikel 82 der MDR werden diese Prüfungen, also alle klinischen Prüfungen eines Medizinproduktes, die nicht im Rahmen des klinischen Entwicklungplans, von der ersten Machbarkeitstudie über konfirmatorische klinische Prüfungen bis hin zu Nachmarktbeobachtungsstudien, geplant und durchgeführt werden, unter den Begriff der „sonstigen klinischen Prüfungen“ gesetzt.
Laut Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG), welches das Medizinproduktegesetz (MPG) ablösen wird, handelt es sich um eine „sonstige klinische Prüfung“, wenn die klinische Prüfung:
- Nicht Teil eines systematischen und geplanten Prozesses zur Produktentwicklung oder der Produktbeobachtung ist
- Nicht mit dem Ziel durchgeführt wird, die Konformität eines Produktes mit den Anforderungen der MDR nachzuweisen
- Der Beantwortung wissenschaftlicher oder anderer Fragestellungen dient
- Außerhalb eines klinischen Entwicklungsplans nach Anhang XIV Teil A der MDR erfolgt
Hersteller von Medizinprodukten sollten demnach nur noch zwischen „klinischen Prüfungen“ und „sonstigen klinischen Prüfungen“ unterscheiden und den Begriff von „klinischen Studien“ lediglich auf die Untersuchung von Arzneimitteln beziehen.
Regulatorische Anforderungen an eine Klinische Prüfung
Gemäß MDR sollten klinische Prüfungen nach fest etablierten internationalen Richtlinien, wie der internationalen Norm ISO 14155 „Klinische Prüfung von Medizinprodukten an Menschen – Gute klinische Praxis“durchgeführt werden. Die ethische Orientierung sollte dabei nach den Grundsätzen der neuesten Fassung der „Deklaration von Helsinki“ des Weltärztebundes erfolgen. Diese legt grundlegende ethische Anforderungen in Bezug auf Planung, Durchführung und Abschätzung von Risiken und Belastungen der Studienteilnehmer von klinischen Prüfungen, die nur eingeleitet werden dürfen, wenn der erwartete Nutzen die Risiken rechtfertigt, fest.
Die allgemeinen Anforderungen an klinische Prüfungen, die zum Nachweis der Konformität von Produkten durchgeführt werden, werden in Artikel 62 der MDR beschrieben. Darüber hinaus zählen die Bestimmungen von Artikel 63 bis 80, der nach Artikel 81 erlassenen Rechtsakte und des Anhangs XV „Klinische Prüfungen“.
„Klinische Prüfungen“ und „sonstige klinische Prüfungen“ bedingen der Zustimmung einer nach nationalem Recht eingesetzten Ethik-Kommission und sind somit genehmigungspflichtig. Im Vordergrund der klinischen Prüfung steht der Schutz der teilnehmenden Prüfungsteilnehmer. Risiken, die in Verbindung mit dem Medizinprodukt stehen, müssen vor der Planung und Durchführung einer klinischen Prüfung in Übereinstimmung mit der DIN EN ISO 14971 (Anhang H) „Medizinprodukte – Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte“ bewertet werden. Gewonnene klinische Daten müssen wissenschaftlich fundiert, zuverlässig und solide sein.
Neben der MDR bilden auf nationaler Ebene die Verordnung über klinische Prüfung von Medizinprodukten (MPKPV), die Medizinische Sicherheitsplanverordnung (MPSV), das Medizinproduktegesetz (§ 20 – § 23 MPG) bzw. das neue Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) die regulatorischen Anforderungen an klinische Prüfungen.
Darüber hinaus sollten die folgenden MEDDEV-Leitlinien mit Bezug zu klinischen Prüfungen berücksichtigt werden:
- MEDDEV 2.7/2 Rev. 2: Guidelines for Competent authorities for making a validation/assessment of a clinical investigation application
- MEDDEV 2.7/3: Guideline on clinical investigation: Serious adverse event reporting
- MEDDEV 2.7/4: Guidelines on clinical investigation: a guide for manufacturers and notified bodies
- MEDDEV 2.12/12: Post-Market Clinical Follow-up Studies
Zweck der Klinischen Prüfung
Klinische Prüfungen an Medizinprodukten dienen gemäß Artikel 62 der MDR einem oder mehreren der folgenden Zwecke:
- Zur Feststellung und Überprüfung, dass ein Produkt so ausgelegt, hergestellt und verpackt ist, dass es unter normalen Verwendungsbedingungen für einen oder mehrere der in Artikel 2 Nummer 1 aufgelisteten spezifischen Zwecke geeignet ist und die von seinem Hersteller angegebene bezweckte Leistung erbringt
- Zur Feststellung und Überprüfung des von seinem Hersteller angegebenen klinischen Nutzens eines Produkts
- Zur Feststellung und Überprüfung der klinischen Sicherheit des Produkts und zur Bestimmung von bei normalen Verwendungsbedingungen gegebenenfalls auftretenden unerwünschten Nebenwirkungen des Produkts und zur Beurteilung, ob diese im Vergleich zu dem von dem Produkt erbrachten Nutzen vertretbare Risiken darstellen
Wann ist eine klinische Prüfung grundsätzlich immer erforderlich?
- Bei einem neuen Medizinprodukt mit neuen Funktionen und Eigenschaften, zu dem kein vergleichbares Medizinprodukt existiert
- Bei Modifikationen eines Medizinproduktes, die Einfluss auf die klinische Sicherheit und Leistungsfähigkeit haben
- Bei einer neuen Indikation für ein Medizinprodukt (Zweckbestimmung)
- Beim Einsatz neuer, unbekannter Materialien
- Bei implantierbaren Produkten oder Produkten der Risikoklasse III (mit Ausnahmen, siehe Abschnitt Klasse III und implantierbare Produkte)
Wichtige Rolle bei der Durchführung von Klinischen Prüfungen
Zu den wichtigsten Entscheidungsträgern von klinischen Prüfungen gehören der Sponsor, der Prüfer und der Monitor.
Der Sponsor ist eine natürliche oder juristische Person, welche die Verantwortung, Organisation und Finanzierung einer klinischen Prüfung übernimmt. Treten bei einer klinischen Prüfung Probleme auf, entscheidet der Sponsor mit dem Prüfer über die notwendigen Maßnahmen und informieren die zuständige Behörde. Eventuell notwendige Schulungen von an der klinischen Prüfung beteiligten Mitarbeitern werden vom Sponsor verifiziert, organisiert und dokumentiert.
Der Prüfer ist eine für die Durchführung der klinischen Prüfung am Menschen an einer Prüfstelle verantwortliche Person. Diese muss über eine ausreichende Qualifikation verfügen und über Erfahrung bei der Patientenbetreuung verfügen. Der Prüfer bescheinigt zum Beispiel, dass Prüfungsteilnehmer nach seiner Kenntnis zuvor keine Einwände gegen die Teilnahme an der klinischen Prüfung geäußert haben. Er stellt sicher, dass die klinische Prüfung entsprechend dem klinischen Prüfplan durchgeführt wird.
Alle Daten zur klinischen Prüfung werden durch den Sponsor oder Prüfer so aufgezeichnet, verarbeitet behandelt und gespeichert, dass sie korrekt übermittelt, ausgelegt und überprüft werden können.
Der Monitor ist eine von der Prüfstelle unabhängige Person, die die Aufgabe der Überwachung und Berichterstattung über den Verlauf der klinischen Prüfung eines Medizinproduktes am Menschen zur Qualitätssicherung übernimmt. Er stellt sicher, dass die klinische Prüfung im Einklang mit dem klinischen Prüfplan, der guten klinischen Praxis und den Verordnungen durchgeführt wird.
Für die Durchführung der Klinischen Prüfung sind unter anderem folgende Aspekte wichtig:
- Die Hersteller müssen einen Online-Antrag für die Durchführung klinischer Prüfungen stellen und deren Zustimmung abwarten. Die Antragstellung erfolgt durch den Sponsor über das zentrale Medizinprodukte-Informationssystem des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). Nach § 20 Abs. 1 Medizinproduktegesetz (MPG) sind klinische Prüfungen der Genehmigung durch die zuständige Bundesoberbehörde (BoB), in Deutschland dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der zustimmenden Bewertung durch die zuständige Ethik-Kommission (EK) verpflichtet. BfArM und Ethik-Kommission prüfen den Antrag. Erst wenn die zustimmende Bewertung vorliegt, darf mit der klinischen Prüfung begonnen werden
- Hersteller sind verpflichtet einen gemäß DIN EN ISO 14155:2020 vorgeschriebenen klinischen Prüfplan (Clinical Investigation Plan, CIP), der dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht, zu erstellen (mit Begründung, Zielstellungen, Design und vorgesehene Analysen, Methodik, Monitoring, Durchführung und Berichtsführung der klinischen Prüfung). Klinische Prüfungen sind nach diesem klinischen Prüfplan durchzuführen.
- Hersteller müssen nachweisen, dass die Medizinprodukte die grundlegenden Anforderungen gemäß § 7 MPG erfüllen, die nicht im Rahmen der klinischen Prüfung untersucht werden und das hinsichtlich dieser Punkte alle Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Probanden, der Anwender sowie Dritter getroffen wurde
- Es muss ein Versicherungsschutz für die Probanden bestehen
- Hersteller sind verpflichtet, unerwünschte Vorkommnisse zu registrieren, zu bewerten und zu melden (bei der zuständigen Bundesoberbehörde, bei Medizinprodukten: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfARM))
-
Die Hersteller sind zur weiteren Dokumentation verpflichtet, z.B.:
- Handbuch des klinischen Prüfers (Investigator´s Brochure, IB)
-
Aufklärungs- und Einwilligungsbögen für Probanden
- Kontaktdaten von Herstellern und Prüfärzten
-
Prüferinformationen
-
Monitoring-Plan
-
Beschreibung des Medizinproduktes, der medizinischen Anwendung/Verfahren
-
Präklinische Bewertung einschließlich des zugrundeliegenden wissenschaftlichen Erkenntnismaterials
-
Nachweis der biologischen Sicherheitsprüfung
-
Risikoanalyse und Risikobewertung
-
Plan für die Weiterbehandlung und medizinische Betreuung der Probandenisikoanalyse und Risikobewertung
-
Abschlussbericht der klinischen Prüfung (Clinical Investigation Report) gemäß MDR Anhang XV, Kapitel III. Der Bericht über die klinische Prüfung enthält eine kritische Bewertung aller gesammelten Daten, auch aller negativer Ergebnisse
- Es muss ein Versicherungsschutz für die Probanden bestehen
- Hersteller sind verpflichtet, unerwünschte Vorkommnisse zu registrieren, zu bewerten und zu melden (bei der zuständigen Bundesoberbehörde, bei Medizinprodukten: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfARM)
Die für den Antrag auf Genehmigung der klinischen Prüfung einzureichenden Dokumente sind im Anhang XV, Kapitel II der MDR detailliert beschrieben.
Der Antrag auf Genehmigung einer klinischen Prüfung wird zukünftig gemäß Artikel 70 der MDR vom Sponsor über die europäische Datenbank für Medizinprodukte „EUDAMED“ erfolgen. Dieses auf Unionsebene funktionierende elektronische System dient unter anderem dazu, alle klinischen Prüfungen in einer öffentlich zugänglichen Datenbank zu melden, zu erfassen und das Antragsverfahren für klinische Prüfungen auf internationaler Ebene zu vereinfachen. Aktuell stellt nach § 33 Medizinproduktegesetz das Team für das Medizinprodukte-Informationssystem im BfArM die erforderlichen Daten aus dem nationalen Medizinprodukte-Informationssystem für die europäische Datenbank zur Verfügung. Über einen XML-Upload werden die Daten wöchentlich aus den nationalen Datenbanken an EUDAMED übertragen. Durch die verzögerte Einführung von EUDAMED (aktuell geplante Einführung 2022) können und müssen aktuell nur nationale Behörden EUDAMED nutzen. Aktuell gelten somit die nationalen Registrierungspflichten für klinische Prüfungen beim DIMDI (Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information).
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