Von der Werbung zur Wissenschaft: Kein Versprechen ohne Beleg
In der Welt des Marketings sind überzeugende Aussagen essentiell. Doch Hersteller von Medizinprodukten können nicht einfach behaupten, dass ihr Produkt „schneller heilt“, „schmerzfrei wirkt“ oder „besonders verträglich“ ist – sie müssen es beweisen.
Die europäische Medizinprodukteverordnung (MDR) setzt strenge Maßstäbe an Herstellerangaben und verlangt eine wissenschaftliche Fundierung jeder Aussage. Daher hat das Marketing direkten Einfluss auf die klinische Bewertung und die erforderlichen Daten. Wie gelingt es Herstellern, wirkungsvolles Marketing mit den regulatorischen Anforderungen in Einklang zu bringen?
Die Anforderungen der MDR
Die MDR verbietet ausdrücklich irreführende Kommunikation. Es ist verboten, „dem Produkt Funktionen und Eigenschaften zuschreiben, die es nicht besitzt“ oder „einen falschen Eindruck hinsichtlich der Behandlung oder Diagnose und der Funktionen oder Eigenschaften, die das Produkt nicht besitzt“ zu erwecken. (MDR, Artikel 7).
Grundsätzlich liegt die Beweispflicht beim Hersteller. Er muss nachweisen, dass seine Aussagen korrekt sind. Doch wie dieser Nachweis konkret zu erbringen ist, stellt viele Hersteller vor Herausforderungen. Welche Nachweise sind erforderlich, um die Richtigkeit einer Aussage zu belegen, und was genau gilt überhaupt als „Herstelleraussage“?
Was zählt als „Angabe“?
Laut Artikel 7 der umfasst der Begriff „Angabe“ (Englisch: Claim) jede Aussage, die ein Hersteller über ein Medizinprodukt trifft. Dies kann auf der Verpackung, in Werbematerialien, auf der Website oder auch in der Gebrauchsanweisung erscheinen und umfasst auch bildhafte Zeichen.
Was zählt als „Angabe“?
Laut Artikel 7 der umfasst der Begriff „Angabe“ (Englisch: Claim) jede Aussage, die ein Hersteller über ein Medizinprodukt trifft. Dies kann auf der Verpackung, in Werbematerialien, auf der Website oder auch in der Gebrauchsanweisung erscheinen und umfasst auch bildhafte Zeichen. Dabei kann es sich um Angaben zur Funktion, Leistung, Sicherheit oder auch zu besonderen Eigenschaften des Produkts handeln. Ein typischer Claim könnte beispielsweise lauten: “Reduziert postoperative Schmerzen“ oder “Bietet präzise Messungen”.
“Bei der Kennzeichnung, den Gebrauchsanweisungen, der Bereitstellung, der Inbetriebnahme und der Bewerbung von Produkten ist es untersagt, Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen zu verwenden, die den Anwender oder Patienten hinsichtlich der Zweckbestimmung, Sicherheit und Leistung des Produkts irreführen können […]”
MDR, Artikel 7
Arten der Claims und ihre Belege
Generell lassen sich Herstellerangaben in zwei Hauptkategorien unterteilen: technische und klinische Angaben. Jede dieser Kategorien hat ihre eigenen Anforderungen an die Art und Weise, wie sie belegt werden müssen.
Klinische Angaben
Klinische Claims beziehen sich auf die medizinische oder therapeutische Wirkung eines Produkts. Sobald eine Aussage eine solche Wirkung impliziert, wie zum Beispiel „Reduziert Schmerzen“ oder „Fördert die Wundheilung“, ist der Hersteller verpflichtet, klinische Daten vorzulegen, die diese Behauptung untermauern. Hierbei handelt es sich um einen klinischen Nutzen, der laut MDR durch „aussagekräftige, messbare und patientenrelevante klinische Ergebnisse“ belegt werden muss. Diese Anforderungen zielen darauf ab, sicherzustellen, dass der potenzielle Nutzen für den Patienten klar und objektiv nachweisbar ist, um die Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts zu gewährleisten. Erfahren Sie hier, wie Indikationen und Patientengruppen den Anspruch an die klinischen Daten ebenfalls definieren.
” „klinischer Nutzen“ bezeichnet die positiven Auswirkungen eines Produkts auf die Gesundheit einer Person, die anhand aussagekräftiger, messbarer und patientenrelevanter klinischer Ergebnisse einschließlich der Diagnoseergebnisse angegeben werden, oder eine positive Auswirkung auf das Patientenmanagement oder die öffentliche Gesundheit;”
MDR, Artikel 2, Absatz 53
Technische Angaben
Eine andere Art der Claims stellen die technischen Angaben dar, bei denen klinische Daten nicht unbedingt erforderlich sind. Solche Aussagen beziehen sich typischerweise auf Eigenschaften des Produkts, die nicht direkt am Patienten überprüfbar sind, wie etwa Materialeigenschaften oder mechanische Stabilität. Auch die Genauigkeit von Messgeräten oder anderen technischen Aspekten eines Produkts kann in diese Kategorie fallen.
Die MDR liefert für die Belege dieser Claims keine spezifischen Hinweise, aber die MDCG-Guidelines bieten wertvolle Orientierung. Diese betonen, dass technische Claims durch nichtklinische Daten – also beispielsweise durch Labormessungen, Simulationen oder andere technische Prüfmethoden – belegt werden können. Dabei ist es von Bedeutung, dass auch technische Angaben zuverlässig und nachvollziehbar sind, um Missverständnisse und falsche Erwartungen bei den Anwendern zu vermeiden.
“It should be noted that while direct clinical benefits should be supported by clinical data, indirect clinical benefits may be demonstrable by other evidence such as:
• pre-clinical and bench test data (eg compliance to product standards or common specifications);
• real world data such as registries, information deriving from insurance database records, etc;“
( MDCG 2020-6, 6.5. Annex XIV Part A Section 1e: Analysis of the clinical data)
Nachweis der Claims – Schritt für Schritt
Ein systematisches Vorgehen, das die einzelnen Phasen von der Sammlung der Claims bis hin zur Beweisführung umfasst, kann Herstellern erheblich dabei helfen, ihre Produkte regelkonform zu vermarkten. Durch eine strukturierte Herangehensweise lassen sich potenzielle Probleme frühzeitig erkennen und rechtzeitig beheben. Die folgenden Schritte sind dabei von zentraler Bedeutung:
1. Identifikation der Angaben
Der erste Schritt besteht darin, sämtliche Claims zu identifizieren, die im Zusammenhang mit dem Produkt stehen. Diese können aus einer Vielzahl von Quellen stammen – seien es die Website, die Produktverpackung, die Gebrauchsanweisung oder Werbematerialien. Es ist wichtig, alle verfügbaren Quellen systematisch zu durchsuchen, um sicherzustellen, dass keine Aussage übersehen wird. Für ein neues Produkt gilt es, die vorgesehenen Claims von Anfang an systematisch zu erarbeiten, um eine klare und konsistente Kommunikation zu gewährleisten.
2. Einordnung der Angaben
Sobald alle Claims gesammelt wurden, folgt der nächste Schritt: die Analyse und Kategorisierung. Hierbei wird überprüft, ob es sich um klinische oder technische Angaben handelt und ob sie sich auf Sicherheit oder Leistung beziehen. Die Einordnung ist entscheidend, um die richtige Art von Belegen zu identifizieren und zu entscheiden, welcher Nachweis erforderlich ist. So können klinische Claims, die etwa eine therapeutische Wirkung beschreiben, von technischen Claims, die auf Materialeigenschaften oder mechanische Stabilität hinweisen, unterschieden werden.
3. Belege sammeln
Der dritte Schritt besteht in der Beschaffung der erforderlichen Belege. Klinische Claims, die auf einen therapeutischen Nutzen abzielen, sollten durch geeignete klinische Endpunkte gestützt werden. Überlegen Sie genau, welche klinischen Endpunkte am besten geeignet sind, um die jeweilige Aussage zu untermauern. Nachdem die richtigen Parameter identifiziert wurden, muss nachgewiesen werden, dass das Produkt in diesen Bereichen angemessene Ergebnisse erzielt und mindestens den aktuellen Stand der Technik erreicht. Eine wertvolle Methode, um diese Ergebnisse zu belegen, ist das Benchmarking – dabei wird das Produkt mit anderen auf dem Markt befindlichen Produkten verglichen, um dessen Leistung in einem anerkannten Kontext zu beurteilen. Hier können Sie mehr über das Benchmarking erfahren.
Technische Claims erfordern eine gezielte Analyse und eine klare Kategorisierung. Hier stellt sich die Frage, ob die Aussagen sich auf Sicherheitsaspekte, die Leistung des Produkts oder beides beziehen. Die technische Dokumentation des Produkts kann dabei wertvolle Hinweise liefern. Gibt es präklinische Untersuchungen oder Tests, die die Aussagen untermauern? Können Materialeigenschaften oder mechanische Tests als Belege herangezogen werden? In jedem Fall muss der Nachweis so transparent und nachvollziehbar sein, dass er von einem Auditor ohne Zweifel überprüft werden kann.
4. Überarbeitung
Falls sich herausstellt, dass eine bestimmte Angabe nicht ausreichend belegt werden kann, gibt es grundsätzlich zwei Handlungsoptionen: Entweder die betreffende Aussage muss überarbeitet werden, oder es müssen zusätzliche Daten generiert werden, um einen entsprechenden Nachweis zu liefern. In keinem Fall sollte eine unbelegte Aussage ohne ausreichende Belege stehen bleiben, da dies zu rechtlichen oder regulatorischen Problemen führen könnte.
5. Dokumentation
Schließlich müssen alle Herstellerangaben in der klinischen Bewertung umfassend erfasst und begründet werden. Jeder Claim sollte eindeutig beschrieben und durch entsprechende Nachweise gestützt sein. Weiterhin ist es unerlässlich, sämtliches Werbematerial, das im Kontext der Claims steht, mit einzureichen. Dies ermöglicht dem Auditor eine vollständige und präzise Prüfung der Angaben, um sicherzustellen, dass diese den regulatorischen Anforderungen entsprechen.
Häufige Probleme
Um häufige Fehler zu vermeiden, haben wir im Folgenden die häufigsten Beanstandungen der benannten Stellen für Sie zusammengefasst:
- „In the CEP and CER, no clearly defined clinical claims and their respective substantiation could be found.“
- „In accordance with MEDDEV 2.7/1 rev 4, the manufacturer is asked to defi-ne the proposed benefit of the medical device. Please also include any pro-motional claims as well as supporting evidence in the CER.“
- „As described in MEDDEV 2.7/1 rev 4, ‘the clinical evaluation should cover any design features that pose special performance or safety concerns (e.g. xxx), the intended purpose and application of the device (e.g. target treatment group and disease, proposed warnings, contraindications, precautions, and method of application) and the specific claims made by the manufacturer about the clinical performance and clinical safety of the device.’ “
- „The statement that this product has no clinical effect, is not applicable to the xxx and has to be limited. The notified body does not agree to the manufacturers opinion that the product has no individual clinical effect. This statement is refuted by the clinical use and the mode of action of the product. The possibility of the manufacturer to deny the clinical effect does not mean that the notified body has to follow this argumentation.“
- „The statement intended to describe the clinical benefit in the CER/CEP does not clearly describe the clinical benefit of the device under review in qualifiable or quantifiable endpoints as required by the MDR an MDCG 2020-6 guidance document. Detailed description of intended clinical benefits with relevant and specifically defined clinical outcome parameters (indent 4 of MDR Annex XIV Section 1a) is needed. The client should show the methods used to quantify/qualify the outcome measures.“
Fazit
Die Balance zwischen gutem Marketing und regulatorischen Anforderungen zu finden, kann Hersteller vor Herausforderungen stellen. Solange jedoch alle Claims ordnungsgemäß dokumentiert und gründlich begründet sind, müssen sich Hersteller keine Sorgen machen. Die transparente Nachvollziehbarkeit der Belege ist der Schlüssel, um gegenüber den Behörden und Auditoren einwandfrei nachzuweisen, dass die gemachten Aussagen korrekt und durch wissenschaftliche Daten gestützt sind. Ein strukturiertes Vorgehen stellt sicher, dass Marketingaussagen sowohl den regulatorischen Anforderungen entsprechen als auch die Nutzer überzeugen.